Kei Pfüüs meh...
- Yves Tscherry
- 15. Okt. 2019
- 5 Min. Lesezeit
Donnerstag, 10.10.2019

Über Brüssel und Rotterdam führt mich die Reise im Zug in 7 Stunden von Eindhoven nach Lyon, wo ich kurz vor Mitternacht ankomme.
Zum ersten Mal in meinem Leben fahre ich in einem Thalys. Dieser Zug ist dem TGV nachempfunden. Hinter Thalys stecken zwei Unternehmungen, Tochterfirmen der französischen und belgischen Staatsbahnen. Echt schnell und komfortabel, aber eben, klappt nur mit Sitzplatzreservierung :)
Genauso wie in Eindhoven werde ich auch alle Trinkgelder, die ich hier erspiele, an The End Fund spenden.
Freitag

Wie üblich nehme ich mir am ersten Tag zuerst einmal ein bisschen Zeit um die Stadt zu erkunden. Das Wetter ist fantastisch: 23°, kein Wind, kein Regen. Das tut richtig gut :) Lyon ist mit 515'000 Einwohnern die drittgrösste Stadt Frankreichs. Die Orientierung in Lyon ist extrem einfach. Im Zentrum fliessen die Saône und die Rhône parallel zueinander durch die Stadt. Die Saône mündet dann am Ende des Zentrums in die Rhône. Auf der westlichen Seite der Saône liegt der alte Teil von Lyon, auf der dazwischenliegenden Halbinsel und der östlichen Seite der Rhône liegt der neue Teil. Die Stadt ist echt lebendig. Es fällt auf, dass es hier überdurchschnittlich viele Restaurants, Cafés und Bars gibt. Die Einkaufsstrassen befinden sich hauptsächlich auf der Halbinsel.

Zunächst laufe ich hoch zur "Notre Dame de Fourviere". Diese Basilika liegt auf einem Hügel westlich der Saône. Dort verschaffe ich mir einen Überblick von oben und spiele auch gleich meine erste Session, weil es ein so schöner Ort ist :)
Hier knüpfe ich meinen ersten lyonnaisischen Kontakt. Vanessa sitzt auf einer Parkbank neben mir und hört mit dem Lesen auf als ich anfange zu spielen. Sobald ich fertig bin kommt sie rüber zu mir, setzt sich neben mich und fängt an mit mir zu reden. Sie ist aus Deutschland und hat während dem Studium ein Jahr in Lyon gelebt. Nach dem Studium hat sie in Lyon einen Job gesucht und lebt nun seit einem Jahr hier.
Sie ist begeistert von meinem Vorhaben und offeriert mir, mich am Sonntag ein wenig durch die Stadt zu führen, da Lyon einiges zu bieten habe. Das nehme ich natürlich dankend an. Nach einer knappen Stunde spielen habe ich 12 Euro zusammen.
Samstag

Es ist wieder ein wunderschöner Tag. Bereits kurz nach dem Mittag liegt die Temperatur bei 25°, kein Wind und wolkenlos. Ich fange in einer der Einkaufsstrassen an. Die mit Geschäften gesäumten Strassen sind autofrei, das ist ein Bonus für mich. Ich spiele insgesamt 2 Stunden an verschiedenen Spots. Von von vielen Passanten werde ich gar nicht wahrgenommen. Doch hie und da gibts einen Euro und ich werde dennoch mit sehr vielen lächelnden Gesichtern belohnt.
Gegen Abend gehe ich an die Rhône und spiele beim Sonnenuntergang vor einer herrlichen Kulisse noch eine Stunde. Insgesamt konnte ich 28 Euro einnehmen, das ist ein guter Schnitt und dementsprechend bin ich auch mehr als zufrieden :)
Sonntag

Um 13 Uhr treffe ich mich mit Vanessa für den Stadtrundgang. Zunächst laufen wir an einer unscheinbaren Statue vorbei. Dargestellt sind Antoine de Saint-Exupéry und Der kleine Prinz. Antoine de Saint-Exupéry wurde in Lyon geboren und hat auch hier Le petit prince geschrieben.
Weiter gehen wir nochmals hoch zur Basilika. Die Basilika hat eine interessante Geschichte: zunächst stand dort oben nur eine kleine Kapelle. Immerzu, wenn die Lyonnaisen Sorgen hatten (Krieg, Plagen etc.) pilgerten sie zur Kapelle hoch um Gott um Besserung zu bitten. Mit der Zeit wurde die Kapelle so wichtig, dass man sich zu Ende des 19. Jahrhunderts entschied eine Basilika aufzubauen. Zur Einweihung plante man eine grosse Feier mit Feuerwerk. Das Wetter war jedoch so schlecht, dass die Sache mit dem Feuerwerk nicht funktioniert hat, weswegen man die Einweihung verschoben hat. Auch beim zweiten Versuch hat es mit dem Wetter nicht geklappt. Die Einweihung wurde dennoch durchgeführt, einfach ohne Feuerwerk. Um der Zeremonie trotzdem ein bisschen Glanz zu verleihen, hat die ganze Bevölkerung Teelichter an ihre Fenster gestellt. Dies ist der Ursprung des bis heute noch existierenden "Fête des Lumières". Dadurch wurde Lyon bekannt als "Die Stadt des Lichts". Eine weitere nette Geschichte: die Gebrüder "Lumière" produzierten 1895 in Lyon den wohl ersten Film der Welt. Daher hat auch das Filmfestival "Festival Lumière" in Lyon seinen Namen.
Wir laufen den Hügel runter in den alten Teil der Stadt hinein. Hier begann die Geschichte der berühmten Seidenweber von Lyon. Nach mehreren internationalen gewerblichen Messen wurde die Seidenweberei so wichtig und zunehmend technifiziert, sodass mehr Platz für dieses Gewerbe nötig war. Von hier aus expandierte die Stadt in Richtung Norden um eben dieses Gewerbe ansiedeln zu können. Es heisst, dass zu der Zeit rund ein Drittel der Bevölkerung direkt in der Seidenweberei tätig war. Die Seidenweber mussten ihre Ware zur Rhône tragen, das ist auch der Grund, warum sich in diesem Teil der Stadt so viele "Traboules" befinden; das sind "Schleichwege", gedeckte Durchgänge durch die Häuserreihen hindurch. Auf diesem Weg gelangten die Seidenweber mit ihrer Ware schneller zum Fluss.
Die Seidenweber hatten strenge Arbeitsbedingungen. Es heisst, sie hätten bis zu 16 Stunden am Tag gearbeitet. Dabei mussten sie sich natürlich ordentlich ernähren. Es entstanden die inzwischen traditionellen "Bouchons", Restaurants die gutbürgerliche, deftige Kost servieren.

Lyon gilt bis heute als Gastro-Hochburg. In einem kleinen Gässchen durch das wir laufen, hat es gleich drei Restaurants die etliche Gault-Milliau Punkte auf ihrem Konto haben. Insgesamt zählt Lyon rund 4'500 Gastrobetriebe.
Lyon ist ebenfalls bekannt für die "Murals". Zu Beginn der 1990er Jahre fängt die Künstlergruppe "Cité Création" an, Mauern und Wände zu bemalen. Eine der bedeutendsten Malereien dürfte das "Fresque des Lyonnais" sein: in 24 Fenstern werden historische aber auch zeitgenössische Personen aus Lyon portraitiert, darunter Antoine de Saint-Exupéry, Tony Garnier und Paul Bocuse.
Paul Bocuse ist der französische Starkoch, welcher die "Haute Cuisine" etablierte, seit 1965 ununterbrochen mit 3 Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde und letztes Jahr hier in Lyon begraben wurde.

Der "Palais de Justice" wurde im 19 Jahrhundert erbaut. Die 24 Säulen an der Front stehen für die 24 Stunden eines Tages, "weil die Gerechtigkeit niemals schläft".
Nach rund 3 Stunden und etlichen Kilometern zu Fuss beenden wir unsere Tour. Für mich bleibt noch Zeit um ein paar Stunden zu spielen bevor mich Vanessa in ein Insider-Lokal zum Essen einlädt. Ich hole meine Gitarre und gehe in den alten Teil von Lyon und versuche hier ein paar Spots aus, die mir während dem Rundgang aufgefallen sind. Hier läuft es auch richtig gut, nach 2 Stunden habe ich 32 Euro zusammen.
Montag

Heute ist der letzte Tag auf der Tour. Am Dienstag geht es dann zurück nach Hause. Auch heute ist das Wetter wieder superwarm und wolkenlos, aber es windet sehr stark. Gegen Nachmittag begebe ich mich nochmals zu den Einkaufsstrassen und in den alten Teil von Lyon und versuche mein Glück erneut an denselben Spots wie in den letzten Tagen.
Ich spiele insgesamt 3 Stunden und verdiene 40 Euro. Ich bin sehr zufrieden und glücklich. Ich merke aber auch, dass ich jetzt wirklich langsam keine Energie mehr habe... Immer und immer wieder dieselben Songs zu spielen ist mit der Zeit doch ein wenig öde und ermüdend... Die Luft ist raus...
Dienstag
Um 10:36 Uhr nehme ich den Zug Richtung Schweiz und verabschiede mich von dieser schönen, interessanten und vielseitigen Stadt. Insgesamt konnte ich in Lyon 112 Euro für The End Fund erspielen.
Inzwischen habe ich nochmals zwei anonyme Spenden erhalten, eine von 50 Franken und eine von 100 Euro. Vielen lieben Dank... Tausend Dank den Spenderinnen und Spendern, ich weiss das sehr zu schätzen!





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